Kampf der Fastnacht mit den Fasten, Gemälde von Pieter Bruegel, 1559, Wien, Kunsthistorisches Museum.

Bedeutung der Fastnacht

"Unser Tütsch wörtli heisst Fassnacht, wie es dann in den Kalender gestellt wirt. Waz aber dierdurch werde verstanden, kann ich nit wol wüssen. Ob es möchte genennt werden faselnacht, darum der unverschämmte fasel dann sein spil hat: oder Fassnacht, dass man uff die nacht die fass grüsst und dem Baccho zu ehren gewaltig schluckt: oder Fassnacht darumb, dass jren etlich uff die nacht vil spyss und tranck fassend [...] oder Fastnacht darumb, dass grad druf die viertzig tägig fasten angeht."

Dieser Auszug aus der Predigt eines Züricher Pfarrers aus dem Jahre 1601 soll unterstreichen, dass bereits in der frühen Neuzeit gewisse Unsicherheit bezüglich der genauen Herkunft und der vollständigen Hintergründe des Phänomens Fastnacht herrschte. Heutzutage ist der Ansatz unbestritten, die Fastnacht vom Ablauf des Kirchenjahres zu deuten. Die etymologische Deutung ergibt hierbei: Ebenso wie der Abend vor dem Geburtsfest Christi "Weihnacht" heißt, bezeichnet nämlich "Fastnacht" den Abend und den Tag, der dem Beginn der vierzigtägigen österlichen Fastenzeit vorausgeht. Die Fastnacht ist also bedingt durch die Fastenzeit. Dieser etymologische Zusammenhang der Brauchbezeichnung mit dem Begriff "Fasten" bestätigt sich in dem alten niederdeutschen Ausdruck "vastavend", der heute noch am Niederrhein als "Fastelovend" vorkommt und den Vorabend der Fastenzeit bezeichnet. Auch der Begriff des Faschings lässt sich so erklären. Herleiten lässt sich dies von dem ursprünglichen Ausdruck "vaschang" (zusätzlich belegt durch die frühere Version "vastschang"), was so viel bedeutet wie: "Ausschenken des Fastentrunks". Selbst "Karneval" hat einen engen Sinnbezug zur Fastenzeit. Im Kirchenlatein hieß die Fastenzeit "carnislevamen", "carnisprivium" oder "carnetollendas". Mit der Zeit entwickelte sich so das italienische Wort "carnevale" (Entwicklung: carnelevare -> carnelevale -> carnevale). Volksetymologisch wird der Begriff Karneval auch scherzhaft als carne vale (Fleisch, leb wohl) interpretiert.


Die "Alte Fastnacht"

Die sogenannte "Alte Fastnacht" wird eine Woche später als an dem üblichen Fastnachtstermin gefeiert (vgl. Baseler Fastnacht). Doch worin liegt der Grund? Ursprünglich begann die Fastenzeit nach dem Sonntag Invocavit und die Sonntage wurden generell als Fastentage hinzugerechnet. Im 11. Jahrhundert kam man allerdings zu der Auffassung, dass die Sonntage als Gedächtnistage der Auferstehung aus der Fastenzeit ausgespart bleiben sollten. Somit verteilten sich die vierzig Tage auf einen längeren Zeitraum und der Beginn der Fastenzeit wurde in die Woche nach dem Sonntag Quinquagesima (heutiger Fastnachtssonntag) verlegt.


Faschingszeit ist Krapfenzeit

Bedingt durch die Fastenzeit kam es notwendigerweise auch zu einer Änderung des Nahrungsmittelkonsums, insbesondere beim Eier- und Fleischverzehr. So wandte man sich vor der Zeit der Abstinenz noch einmal ausgiebig dem Verzehr von Fleisch zu. Zudem sollten die Eiervorräte vollends aufgebraucht werden. Daher waren zur Fastnachtszeit spezielle Schmalzgebäcke üblich, bei denen große Mengen Eier notwendig waren (wie z.B. Krapfen, Waffeln und Pfannkuchen).


Fastnacht ist die Zeit der Fleischlichkeit (im doppelten Wortsinn)

"Relativ früh machte sich die Bevölkerung den Fastnachtstrubel übrigens auch ganz konsequent in der Weise zunutze, daß sie mit den öffentlichen Festgewohnheiten ihre privaten Feiern verband. So avancierten die Fastnachtstage bald zu einem der beliebtesten Heiratstermine im Jahreslauf. [...] Nun war die Konzentration der Eheschließungen an Fastnacht freilich nicht in erster Linie das Resultat ökonomischer Überlegungen, die sich aus der Koppelung von Volks- und Familienfest bestimmte organisatorische oder finanzielle Vorteile erhofften. Den eigentlichen Ausschlag gaben vielmehr theologisch begründete Motive. Die Fastenzeit verlangte nämlich neben allen sonstigen Formen der Abstinenz insbesondere auch sexuelle Enthaltsamkeit. [...] Demzufolge drängte es sich für junge Paare förmlich auf, ihre Hochzeit noch unmittelbar vor dem Aschermittwoch abzuhalten und den für die Zeugung der Nachkommenschaft unvermeidlichen Geschlechtsakt in eine Zeit zu legen, die ohnehin von exzessiven irdischen Genüssen gekennzeichnet war."


Fastnacht als Akt der Anarchie?

"An Fastnacht war nahezu alles erlaubt, aber hinter der vermeintlich anarchischen Fassade des Festes blieben den Menschen die Ordnungen des außerfastnächtlichen Lebens zumindest unterschwellig immer noch bewußt. Das Fastnachtstreiben bekam seine Faszination erst dadurch, daß man die vorübergehend installierte "verkehrte Welt" gewissermaßen ständig vor der Folie der "richtigen Welt" sah und eben diese beiden Welten miteinander verglich. Oder an einem Einzelbeispiel erklärt: der Akteur im Fastnachtspiel wirkte erst dann richtig komisch, wenn der Typus, den er verkörperte, in einem eklatanten Mißverhältnis zu seiner wirklichen Person stand, wenn [...] die Distanz zwischen Rolle des Dargestellten und der Personalität des Darstellers möglichst groß war. Die Fastnacht wäre also ohne den sie umgebenden Alltag im wahrsten Sinne des Wortes "witzlos" gewesen. Sie strebte deshalb auch keine wirkliche Anarchie an, sondern begnügte sich zumeist damit, spielerisch auf die Verhältnisse des Alltags zu reagieren, ohne diese ernstlich in Frage zu stellen."

 

Literatur:

Mezger, Werner: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen Festkultur. Univ.-Verl. Konstanz, 1991